Sommer der Sehnsucht
Nikolaus Prokop

Wenn der Sommer naht, startet auch wieder das hochprozentige Wettrüsten aller ambitionierten Profi- und Hobby-Barkeeper, um den ultimativen Sommerdrink für die nächste Outdoor-Party zu kreieren. Doch wozu eigentlich kompliziert, wenn’s auch einfach geht? Denn auch ein scheinbar simpler Gin Tonic, eine klassische Margarita oder ein schlichter Cuba Libre können zum Kult-Cocktail werden, wenn die Basisspirituose mit kompromissloser Qualität glänzt – und wenn sie die richtige, zu Herzen gehende Story mit Sehnsucht erweckendem Hollywood-Potenzial zu erzählen weiß.

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enn Ciarán „Rowdy“ Rooney, Head Distiller der kleinen, feinen Gin-Destillerie Glendalough in den irischen Wicklow Mountains, die aussergewöhnliche Story seines Wild Rose Gin erzählt, könnte man beinahe meinen, Hollywood hätte hier bei einem berührenden irischen Familien-Epos Regie geführt. Denn einerseits wirkt Rooney, ein attraktiv im George-Clooney-Style ergrauter Mittfünfziger in brauner Lederschürze und grauem Leinenhemd, inmitten seines dekorativ mit diversen Vintage-Utensilien, Fläschchen, Botanicals-Tiegeln und Büchern ausstaffierten Office beinahe selbst wie ein Mittelding zwischen einem Filmstar und einem Apotheker. Und andererseits ist auch die Geschichte tatsächlich filmreif, denn vor neun Jahren war Rooneys Mutter, eine begeisterte Hobbygärtnerin, verstorben und hatte der betrübten Familie unter anderem ihren prachtvollen Rosengarten hinterlassen. Kurz darauf stand Rooney vor der Aufgabe, bei Glendalough seinen ersten Gin zu destillieren – und wie es der Zufall so wollte, war sein jüngster Bruder Paco zur selben Zeit im Begriff, zu heiraten. Plötzlich hatte Rooney die zündende Idee: Als kleines Hochzeitsgeschenk und um den Gästen einen aussergewöhnlichen Drink zu servieren, würde er seinem Gin als besondere Zutat die Blätter eines Rosenstocks seiner Mutter hinzufügen: „We would be able to say that Mam is with us in spirit“.

Blumig Hochprozentiges aus Mutters Rosengarten

Das Experiment mit der blumigen Botanical-Ingredienz gelang überaus gut, da Rooney gleich beide traditionellen Gin-Produktionsverfahren miteinander kombinierte: Einerseits ließ er die Rosenblätter für die tieferen, intensiveren Aromen im so genannten Mazerationsverfahren fast einen Tag lang behutsam gemeinsam mit den anderen Botanicals im Basisalkohol ziehen. Andererseits landete auch eine tüchtige Handvoll der Rosenblätter im Aromenkorb der Brennblase, so dass der verdampfende Alkohol während der Destillation im Dampfextraktionsverfahren den Blättern noch weitere, subtilere Aromen entziehen konnte. Für ein besonderes Finish ließ Rooney zusätzlich einen Mix von frischen und getrockneten Rosenblättern in großen Musselin-Säcken im fertigen Destillat ziehen und erzielte damit sowohl die elegante Rosé-Farbe als auch eine weitere, zart an das türkische Rosenwasser-Dessert „Lokum“ erinnernde delikate Aromennuance. Das Ergebnis begeisterte nicht nur die Hochzeitsgäste, sondern erwies sich auch im größeren Maßstab als serienfähig. Denn Ciarán Rooneys jüngere Schwester pflegt bis heute liebevoll den mütterlichen Rosengarten, und so landen neben seltenen Wildrosen aus den Wicklow Mountains und edlen Damaszener Rosen bis heute auch die „Heritage Roses“ der Familie Rooney in jeder Kleinserien-Charge des Glendalough Wild Rose Gin.


FÜR DEN GLENDALOUGH WILD BOTANICAL GIN SAMMELT GERALDINE KAVANAGH FRISCHE WILDKRÄUTER IN DER NATURWILDNIS VON WICKLOW.

Um das Hollywood Drama gleich zur Netflix-Serie zu machen: Auch die klassischen Gin-Sorten von Glendalough haben eine ebenso filmreife Story zu erzählen, da hinter ihrer Rezeptur Geraldine Kavanagh steckt, Irlands einzige professionelle Wildpflanzen-Sammlerin und -Expertin. Bekannt auch für ihre Führungen in die Naturwildnis von Wicklow und für ihre kulinarischen Rezept-Inspirationen mit Wildpflanzen ist sie täglich auf der unermüdlichen Suche nach Wildkräutern und anderen natürlichen Zutaten für die Produktion der Glendalough-Gins, weshalb das neue Flaschendesign der Glendalough-Gins ihrer Tätigkeit gewidmet ist. Genießen sollte man Glendalough Wild Rose übrigens so einfach wie möglich, schließlich ist sein Herstellungsverfahren schon kompliziert genug: Mit einem eher herben, nicht zu süßen Premium Tonic Water und nicht zu wenig Eis im Weißweinglas serviert, kommt er bereits hervorragend zur Geltung – und wer mit etwas Limette oder einigen Minz- oder Rosenblättchen experimentieren will, macht sicher nichts falsch. Und wer’s ein wenig kräftiger will, probiert ihn eventuell auch als „Glendalough Lady Rose“ – Rowdy Rooney’s „Mam“, die übrigens selbst mit Vornamen Rose hieß, hätte ihn vermutlich gerne so bei der nächsten Sommerparty getrunken: 4cl Glendalough Wild Rose Gin, 1cl Falernum Sirup, 2,5cl Triple Sec und 2,5cl frisch gepressten Zitronensaft auf Eis rühren (nach Geschmack auch vorsichtig auf Eis shaken), in Cocktailschale abseihen, mit einigen essbaren Rosenblättern garniert servieren.

Wie Rowdy Rooney den Rosengarten seiner Mutter in einen aussergewöhnlichen Rosé Gin verwandelte.

Und da man in Irland nun mal keine halben Sachen macht, wenn es um Legenden geht, ist auch die Geschichte der fünf Glendalough-Gründer durchaus für ein abendfüllendes Drehbuch geeignet. Denn ursprünglich hatten sich die Freunde Gary McLoughlin, Brian Fagan, Kevin Keenan, Barry Gallagher und Donal O’Gallachoir vor allem dazu zusammengeschlossen, um der irischen Ur-Spirituose „Poitín“ ein längst verdientes Revival zu verschaffen. Lange hatte Poitín (ausgesprochen „Poteen“) den zweifelhaften Ruf, der rabiate, extrem hochprozentige und zumeist illegal von Schwarzbrennern hergestellte kleine Bruder des schottischen Whisky zu sein. Doch unter der Regie des Glendalough-Quintetts etablierte sich die einstige Spelunken-Spirituose bald zum gefragten Retro-Trendprodukt, auf das bald auch einige höchst respektable Irish Whiskeys folgten, die Glendalough noch vor den exzellenten Gins auch bei diesem Thema weithin den Ruf der führenden Craft Distillery Irlands eintrugen – doch das ist wiederum eine lange Story, die man sich für einen ebenso langen Winterabend aufheben sollte.

Glendalough WILD ROSE IRISH GIN
Ein Gringo aus Salzburg und die Liebe zum Tequila

Umso mehr in einen heißen Sommer passt wiederum die Love Story des Salzburgers Hans-Peter Eder, der sich vor einigen Jahren an der Universität Heidelberg Hals über Kopf in die Mexikanerin Adriana Alvarez Maxemin verliebte. Eine Begegnung mit Folgen, denn Adrianas Familie stammt aus Guadalajara, unweit der Herzensregion des Tequila. Und es versteht sich nahezu von selbst, dass man bei Eders erstem Familien-Besuch in Adrianas Heimat dem zukünftigen Schwiegersohn zu Ehren ein Fläschchen Tequila öffnete, um zünftig auf die junge Liebe anzustoßen. Allerdings, so merkte der Bräutigam in spe sofort: Der Tequila, den man ihm in Guadalajara servierte, hatte rein gar nichts mit seinen Jugenderinnerungen an eine fragwürdige Kopfweh-Spirituose gemeinsam, die man am besten flott mit Salz und Zitrone hinunterspülte, um den gewöhnungsbedürftigen Geschmack zu übertönen. Stattdessen war er einem Stück authentischer mexikanischer Genusskultur begegnet, das speziell als sorgfältig im Eichenfass gereifter Tequila Añejo oder Reposado in punkto Herstellung und Produktqualität durchaus auch mit einem französischen Cognac vergleichbar war. Und da man in Eders Familie schon seit Generationen feine Edelbrände produziert und Adrianas Vater überdies als gut vernetzter Geschäftsmann tatkräftig bei den ersten Kontaktanbahnungen zu geeigneten Agavenbauern und Qualitäts-Destillerien mithalf, kam das österreichisch-mexikanische Family Business unter dem neuen Namen „Padre Azul“ schnell ins Rollen.

Von der Vision beseelt, einen kompromisslosen Qualitäts-Tequila mit echtem Wow-Effekt zu kreieren, hatte Eder gemeinsam mit einer Handvoll Freunde und Familienmitglieder bald die Produktion auf die Beine gestellt und machte dabei die wohl wertvollste Erfahrung bei der Tequila-Herstellung: Denn die wichtigste Zutat für einen Premium-Tequila wie Padre Azul ist neben der blauen Agave, aus deren Herzstück die Brände ausschließlich destilliert werden, vor allem die Zeit. Mindestens acht, eher zehn Jahre wachsen die blauen Agaven für Padre Azul, die aus den Tälern von Amatitán in Jalisco unweit der Stadt Tequila stammen, um reif für die „Jima“, die Agavenernte zu sein, denn erst dann haben sie genügend Zucker in ihrem Herzen gesammelt.

DIE BLAUEN AGAVEN FÜR PADRE AZUL STAMMEN AUS DEN TÄLERN VON AMATITÁN IN JALISCO UNWEIT DER STADT TEQUILA.

Anschließend werden die Agaven in traditionellen mexikanischen Öfen 24 bis 48 Stunden lang sanft gekocht bzw. gedämpft – industriell produzierte Tequilas benötigen dazu im Autoklaven nur fünf oder sechs Stunden. Nach weiteren 72 bis 96 Stunden Fermentation ohne künstliche Hefen erfolgt schließlich die sorgfältige zweifache Destillation. Vorlauf und Nachlauf des Destillats werden entfernt, ausschließlich das sogenannte Herzstück und damit der absolut beste Teil des Destillats wird weiterverarbeitet – übrigens unter der gestrengen Regie von Erika Sangeado, die als eine der wenigen weiblichen Master Distillers weltweit mit ihrer persönlichen Handschrift das einzigartige Aroma von Padre Azul prägt. Ungelagert wird der Tequila als „Blanco“ sofort abgefüllt, als Reposado reift er hingegen weitere acht Monate, als Añejo sogar achtzehn Monate in ausgewählten amerikanischen Bourbon-Eichenfässern. Das Resultat des extrem aufwändigen Herstellungsprozesses ist ein Tequila mit begeisternd komplexen und zugleich ungemein eleganten Vanille-, Zimt-, Karamell- und Schokoladennoten, die jedoch den ursprünglichen Geschmack der Agave niemals übertönen. Ein derart edles, rundum auf höchste Qualität und traditionsverbundene Authentizität sämtlicher Zutaten und Produktionsschritte bedachtes Produkt sollte man natürlich pur genießen und nicht im entferntesten daran denken, womöglich zu Zitrone und Salzstreuer zu greifen – schon gar nicht bei den Reposados und Añejos und auch nicht beim aromatischen Blanco, bei dem der ursprüngliche Agaven-Geschmack am vorherrschendsten ist.

Der einzigartige mexikanisch-österreichische Premium-Tequila aus dem Herz der Blauen Agave in Jalisco.

Optimal zum Mixen geeignet ist hingegen der Padre Azul Padrecito Tequila Blanco, bei dem man kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man ihn als hochwertige Basis einer stilechten Margarita nutzt, die nicht von ungefähr als die Königin aller sommerlich-südamerikanischen Cocktails gilt. Die Rede ist hier freilich nicht etwa von irgendwelchen klebrig süßen Frozen Margaritas, womöglich auch noch aus der Slush-Ice-Maschine, wie man sie hinreichend aus diversen Fernsehserien oder vom All-Inclusive-Billigurlaub im Ballermann-Stil kennt. Stattdessen sprechen wir hier von der puren, klassischen, nur auf 5cl Tequila, 2,25cl Triple Sec, 2,25cl Limettensaft und nach Geschmack für etwas mehr Süße 0,75cl Agavendicksaft basierenden Variante – zu Recht einer der großen Klassiker der Cocktailkultur. Und wem nach exklusivem Luxus beim puren Tequila-Genuss zumute ist, kann natürlich gerne auch zu einer der raren Limited Editions von Padre Azul greifen wie etwa dem Double Barrel Reposado oder dem noch exklusiveren Tequila Añejo 3L. Doch die sind eigentlich schon Exemplare für den Sammlerschrank, die man besser für besondere Gelegenheiten aufbewahrt – wie zum Beispiel zum Anstoßen auf eine junge Liebe zwischen Mexiko und Österreich.

Padrecito Tequila Blanco
Die CO2-neutrale Rum-Legende aus Santo Domingo

Ganz ohne Love Story, dafür mit der Geschichte einer großen Leidenschaft kommt last but not least das dritte Kapitel unserer sommerlichen Spirituosen-Empfehlungen daher: Denn Anno 1929 wanderte ein junger Spanier namens Julián Barceló von Mallorca nach Santo Domingo aus, mit dem ehrgeizigen Plan, dort den besten Rum der Welt zu kreieren. Keine schlechte Idee, denn die Dominikanische Republik war schon seit dem 18. Jahrhundert bei Rumbrennern ebenso wie bei Piraten und Seeleuten für ihr besonders feines Zuckerrohr bekannt, das dort auf riesigen Plantagen gedeiht und bis heute die wertvolle Basis für Ron Barceló bildet. Denn als einziger dominikanische Rum wird er nicht etwa aus dem Zuckerindustrie-Nebenprodukt Melasse, sondern zu hundert Prozent aus reinem Zuckerrohrsaft hergestellt. Die hervorragende Qualität des Rums aus dem 1930 gegründeten Haus Barceló & Co. sprach sich schnell herum und bereits in den fünfziger Jahren zählte er zu den beliebtesten und erfolgreichsten Marken der Region.


DER IN KLEINEN CHARGEN PRODUZIERTE RUM REIFT BIS ZU ZEHN JAHRE LANG IM EICHENBARRIQUE.

Anfang der siebziger Jahren folgte dann der erste Ron Barceló Añejo der sich bald als der meist exportierte dominikanische Rum durchsetzte und damit den ersten großen Erfolg über die Landesgrenzen hinweg markierte. Ein Jahrzehnt später lancierte man den Premium-Rum Ron Barceló Imperial, der sich bis heute als dominikanischer Rum mit den meisten Auszeichnungen auf dem internationalen Parkett etablieren konnte. Und um die Jahrtausendwende herum folgte schließlich die große Internationalisierung – doch trotz verschiedener wirtschaftlicher Allianzen sitzen bis heute die Urenkel von Julián Barceló im Aufsichtsrat des spanisch-dominikanischen Unternehmens und bürgen nicht nur für exzellenten Rum, sondern auch für ein vorbildlich geführtes Unternehmen. Denn 2020 wurde Ron Barceló als erster Rum der Welt als CO2-neutral mit null Treibhausgasemissionen zertifiziert und ist ebenso als erster Rum der Welt an der UN-Initiative „Climate Neutral Now“ beteiligt.

RON BARCELÓ WIRD ALS EINZIGER DOMINIKANISCHER RUM ZU HUNDERT PROZENT AUS REINEM ZUCKERROHRSAFT DESTILLIERT.

Ein nachhaltig guter Grund mehr, sich demnächst ein Gläschen von Julián Barcelós kompromisslos vorbildlicher Rum-Kreation zu gönnen – das hundertjährige Jubiläum des hochprozentigen dominikanischen Klassikers steht schließlich schon in wenigen Jahren bevor. Und wer auf der Suche nach einer ebenso einfachen wie hervorragenden Longdrink-Idee für die nächste Sommer- oder Grillparty ist: Ganz klassisch und puristisch mit Coca-Cola, Eis und ein wenig Limettensaft oder gerne auch gemuddleten Limettenspalten im Caipirinha-Glas serviert (korrekterweise mit der mitgereichten klassischen Coca-Cola-Glasflasche zum Auffüllen) wird Ron Barceló mit seinen feinen Aromen von edlen Trockenfrüchten, Kaffee, Vanille und geröstetem Eichenholz zur absoluten Luxus-Quintessenz eines Cuba Libre – oder genauer gesagt zu einem Santo Libre, wie der Drink in der Dominikanischen Republik heißt. Und damit der Unterschied zu Kuba auch ja gewahrt bleibt, mixt man ihn dort gerne auch mit einigen zusätzlichen Minzblättern und serviert auch unterschiedliche spritzige Varianten mit Sprite, Seven Up oder simplem Club Soda. „¡Salud!“ hätte Julián Barceló wohl gesagt – und dabei wahrscheinlich höflich erwähnt, dass man seinen edlen Rum bitteschön nicht mit irgendwelchen neuzeitlichen Light-Softdrinks mixen möge, sondern, Zuckergehalt hin oder her, mit klassischem Old-School-Coca-Cola wie einst schon vor bald hundert Jahren.

BARCELÓ ORGANIC

Fotocredits: Hersteller, Unsplash, Pexels

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