Brennende Leidenschaft
Nikolaus Prokop

Williams, Marille, Kirsche & Co.: Klassische Obstbrände haben in Österreich bereits seit Jahrhunderten Tradition. Eine neue Generation junger, ambitionierter Edelbrenner widmet sich allerdings mittlerweile auch längst ganz anderen Spirituosenthemen, die man noch vor einiger Zeit eher in Großbritannien, Schottland, den USA oder der Karibik verortet hätte. Doch Whisky, Rum und Gin aus Österreich spielen längst auch im internationalen Wettbewerb auf den Spitzenrängen mit – aus gutem Grund, wie drei der führenden Feuerwasservisionäre des Landes beweisen.

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ine der größten und schönsten Herausforderungen im Leben ist es, eine berufliche Leidenschaft zu finden, für die man von ganzem Herzen brennen kann. Einer, dem die Erfüllung dieses Traums im wahrsten Wortsinn gelungen ist, ist Peter Affenzeller aus Alberndorf in der Riedmark, einer kleinen Viertausend-Einwohner-Gemeinde im oberen Mühlviertel in Oberösterreich. Dort wuchs er in den achtziger Jahren auf dem elterlichen Bauernhof auf: ein stattlicher Vierkanter, der, wie so viele Höfe der Region, von einem dichten Obstgarten umgeben war. Und dort entdeckte er auch schon früh eine alte ländliche Tradition, die später seine ganz persönliche Erfolgsstory prägen sollte. Denn wie viele oberösterreichische Bauern und Bäuerinnen besaß auch seine Familie das Brennrecht für das auf dem eigenen Grund geerntete Obst – und das alljährliche Ritual des Schnapsbrennens faszinierte Peter schon von klein auf.

Peter Affenzeller

Der Whisky-Pionier aus dem Mühlviertel


Aus der kindlichen Faszination für das Schnapsdestillieren wurde im Lauf der Jahre ernsthafte Ambition, und mit achtzehn Jahren begann Peter Affenzeller erstmals mit dem hauseigenen Getreide, das ringsum auf den Äckern gedieh, als Rohstoff zu experimentieren. Das Resultat war sein erster eigener Whisky, der anfangs noch als eigenwillige „Schnapsidee“ belächelt wurde. Denn wozu sollte man ausgerechnet in einer für ihre traditionellen Obstbrände bekannten heimischen Region eine so artfremde Spirituose wie Whisky brennen, bei der andere Nationen wie Schottland oder die USA seit Jahrhunderten längst einen gewaltigen Vorsprung in puncto Know-how und traditionellem Produktimage hatten?

Doch mit dem Kopfschütteln über den jungen, ehrgeizigen Whiskyproduzenten hatte es bald ein Ende. Denn nur wenige Jahre später war aus Affenzellers ersten Whiskyexperimenten ein absolut ernstzunehmendes Produkt geworden: Schon bald gewann der Outsider aus Oberösterreich erstmals die Silbermedaille bei der renommierten internationalen Spirituosenprämierung Destillata in Graz – bei nicht weniger als 1.600 Mitbewerbern und Mitbewerberinnen. Weitere Goldmedaillen und Prämierungen für die immer elaborierteren Single Malts und Blends folgten, und in den darauffolgenden Jahren wandelte sich der einstige Landwirtschaftsbetrieb nicht nur zur angesehenen Whiskydestillerie (die übrigens als weltweit erste CO2-neutral produziert), sondern auch zu einer kleinen Whiskyerlebniswelt, in der für Besucherinnen und Besucher intensiv spürbar wird, wie viel Leidenschaft und Herzblut tatsächlich in Peter Affenzellers österreichischen Premium-Whiskys steckt.

Denn das volle Weizen-, Roggen- und Gerstenkorn vom eigenen Hof, die wuchtigen Eichenfässer und vor allem die akribische Sorgfalt, die Affenzeller in jeden Tropfen seiner edlen Destillate investiert, resultieren bei der Verkostung in allerfeinsten Vanille- und Karamellnoten sowie in begeisternden Nuancen von herbem Rauch und dunklem Malz. Mit internationalen Premium-Whiskys können Affenzellers Kreationen mit Leichtigkeit konkurrieren, und in puncto Individualität setzen sie einzigartige neue Akzente. Denn wohl kein anderer Whisky dieser Welt wird ausschließlich mit hauseigenem Mühlviertler Getreide, bestem Mühlviertler Quellwasser sowie Fässern aus hundertprozentig heimischer Eiche produziert. Und da Affenzeller ein waschechter Perfektionist ist, spielen mittlerweile auch sein exzellenter White Swan Gin und sein mit Zuckerrohr aus Mauritius, Uruguay und Nicaragua destillierter RuMonkey in der höchsten Qualitätsliga mit. Das besondere Geheimnis dahinter: Die Destillation des Rums erfolgt mit Affenzellers eigenen Whiskyhefestämmen. Und an hochwertigen Whiskyfässern, in denen zuvor auch Sherry gelagert wurde, herrscht in Affenzellers Whiskyparadies selbstverständlich kein Mangel.

David Gölles

Der Spirituosen-Visionär von der Riegersburg


Apropos Premium-Rum: Dass dieser schon längst nicht mehr nur aus der Karibik oder aus Kuba stammen muss, beweist auch ein weiterer äußerst ambitionierter junger Brenner aus Österreich – doch diesmal in der Steiermark. Unter Liebhabern und Liebhaberinnen feinster heimischer Spirituosen genießt der Name Gölles ja bereits seit Jahrzehnten Legendenstatus. Denn Herta und Alois Gölles legten mit ihrer Obstbrand- und Essigmanufaktur im südoststeirischen Riegersburg schon in den achtziger Jahren den Grundstein für einen absoluten Vorzeigebetrieb in Sachen feingeistiger österreichischer Obstbrandkultur: mit feinsten Produkten wie klassischen Williamsbirne-, Apfel-, Marillen- oder Vogelbeerbränden, die in keinem Haubenrestaurant als Digestif fehlen dürfen, bis zu raren, exquisiten Jahrgangsspezialitäten wie dem XA Alter Apfel 1989 oder dem XA Alte Zwetschke 1999 aus der gut gehüteten Privatreserve von Alois Gölles.

Doch seit geraumer Zeit geht man im Traditionsbetrieb Gölles auch abseits der regionaltypischen Obstbrandspezialitäten völlig neue Wege. Denn Junior David Gölles, der älteste Sohn von Alois Gölles, hat vor drei Jahren gleich in der Nachbarschaft der elterlichen Manufaktur einen absoluten Spirituosentraum wahr werden lassen, der sich völlig neuen Themen widmet: In seinem 2019 gegründeten David Gölles – house of whiskey, gin & rum stehen nicht nur die drei genannten Spirituosen im Mittelpunkt des Produktprogramms, sondern gleich eine ganze Erlebniswelt voll spannender hochprozentiger Storys. Geschichts- und traditionsbewusst präsentiert sich alleine schon der Name des neuen Gölles-Unternehmenszweigs, denn „Ruotker“ war einst der im Jahre 1138 erstmals erwähnte Name von Rüdiger, dem Erbauer der imposanten Riegersburg, die als historisches Wahrzeichen der Region auf einem fast fünfhundert Meter hohen, steilen Vulkanfelsen über dem südoststeirischen Hügelland thront.

Und auch das, was David Gölles und seine Lebensgefährtin Katharina Fleck hier im Schatten der mächtigen Burg im aufwendig renovierten einstigen Gasthof Schreiner an der Gleichenberger Straße geschaffen haben, hat das Zeug zum neuen Wahrzeichen der steirischen Spirituosenkultur: Aktuell lagern hier über 700 Fässer und mehr als 650 hochprozentige Raritäten, die zur Verkostung bei einem ausgiebigen Besuch einladen. Dieser bietet zugleich packende Einblicke hinter die Kulissen der Herstellung und Lagerung von Whisky, Gin und Rum. Ebenso spannend: das leidenschaftliche Spiel mitzuerleben, das David Gölles als Destillateur und Blender mit den Faktoren Rohstoff, Fass und Lagerzeit betreibt.

Denn seine nach dem legendären steirischen Erzherzog Johann benannten Ron Johan Rum-Kreationen aus lateinamerikanischer Zuckerrohrmelasse reifen je nach Sorte in amerikanischen Weißeichen- und ehemaligen Bourbonfässern und kommen in beeindruckender Sorten- und Variantenvielfalt daher: als aromatischer Dark Rum, als fruchtiger, im Alte-Zwetschke-Fass gefinishter Old Plum Rum, als frischer White Rum, als wuchtiger Strong Rum mit 55 Vol.-%-Fassstärke oder als Overproof mit 64 Vol.-%, als exklusive Abfüllung aus dem Portweinfass, als Spiced Rum mit edler Bourbon-Vanille oder auch als puristischer Johan Serie Null, kompromisslos naturbelassen und aus biologisch zertifizierter Zuckerrohrmelasse aus Paraguay.

Nicht minder groß ist der Aufwand, den David Gölles bei seinen Ruotkers-Whiskys betreibt, etwa beim im Alte-Zwetschke-Fass gefinishten Alois I., beim komplexen Bourbon-Blend Ruediger II., beim Wilhelm III. aus schottischer Gerste oder bei diversen Rye-, Barley-, Dinkel- und Corn-Whiskyspezialitäten. Und nicht zuletzt auch sein exzellenter David Gölles Hands On Gin auf Basis von doppelt gebranntem Weißen Rum und nur fünf sorgfältig ausgewählten Botanicals beweist, dass die Steiermark für so manche hochprozentige Überraschung gut ist.

Patrick Martinelli

Der Bio-Gin-Pionier 


Apropos Gin: Auch bei diesem Thema kann die Steiermark seit einiger Zeit in ganz besonderer Weise punkten. Der gebürtige Steirer Patrick Martinelli mit seinem Rick Gin beweist, dass man auch als kleiner, ambitionierter österreichischer Craft-Distiller für gehöriges Aufsehen in der heiß umkämpften internationalen Gin-Szene sorgen kann.

Von Anfang an war Martinelli, den auf seinen Reisen vor allem die hoch entwickelte spanische Gin-Tonic-Genusskultur inspiriert hatte, klar, dass man den internationalen Big Playern nur mit einer gehörigen Portion Innovation die Stirn bieten kann. Also machte er sich daran, bei seiner ganz persönlichen Ginvision gleich mehrere Qualitätsparameter zugleich in äußerst überzeugender Weise zu realisieren: Einerseits folgt sein Rick Gin nach alter Tradition der puristischen London Dry-Methode, die künstliche Zusätze strikt untersagt und bei der alle Botanicals nur durch Mazeration in Neutralalkohol zugefügt werden dürfen und diese vor der Destillation auch wieder abgeschöpft werden müssen. Das erklärt die extreme gleichbleibende hohe Qualität bei Rick Gin. Und andererseits ist Rick Gin konsequent regional und nachhaltig, wird nach einer Small-Batch-Manufaktur-Philosophie ausschließlich in Kleinmengen von Hand gefertigt und zählt dank der Verwendung ausschließlich bio-zertifizierter Zutaten zu den wenigen Pionieren weltweit, die sich tatsächlich als Bio-Gin bezeichnen dürfen.

Die besondere Qualität und Sorgfalt bei der handwerklichen Verarbeitung aller Zutaten und bei der Small-Batch-Destillation schmeckt man äußerst nuancenreich sowohl beim fruchtigen, zitruslastigen Rick Rich mit 43 Vol.-% als auch beim kräftig-wacholderigen Rick Brave mit würzig-feurigen Pfeffer- und Ingwernoten mit 47 Vol.-% und ebenfalls beim eleganten, mediterran inspirierten Rick Feel mit 41 Vol.-%, der sanfte Kräuternoten von Rosmarin, Basilikum und Thymian mit fruchtigen Orangenblüten- und Olivenaromen vereint. Rick Feel wurde erst kürzlich von Falstaff mit 94 Punkten zum besten Gin Österreichs gewählt.

Rick, wird oft der erfahrene sowie trendbewusste Master Distiller gennant. So begeistert er auch mit seinem Know-how seit einiger Zeit in alkoholfreier Form: Sein Rick Free Non Alcoholic Distilled Spirit darf zwar aus rechtlichen Gründen nicht als Gin bezeichnet werden, beweist aber auf eindrucksvolle Weise, dass perfekter Gin-Tonic-Genuss auch völlig ohne Alkohol möglich ist: Fruchtige Orange- und Grapefruitaromen treffen auf frische, kräftige Wacholdernoten sowie feine Ingwer- und Pfeffernuancen – in Kombination mit einem sorgsam gewählten Qualitäts-Tonic ist er somit die ideale Basis nicht nur für klassische Gin-Tonic-Mocktails, sondern auch für eine große Vielfalt an alkoholfreien Cocktails und Longdrinks, die als Sober Curious-Trend groß im Kommen sind. Rick Free wurde auch daher mit 93 Punkten bei Falstaff zu dem besten alkoholfreien Destillat aus Österreich gewählt.

Und da Patrick Martinelli nicht nur Perfektionist ist, sondern sein Wissen auch gerne teilt, gibt es seit knapp einem Jahr ein wahres Schlaraffenland für alle Gin-Genießer und -Genießerinnen in Wien: die Rick Spirit World in der Wiener Margaretenstraße unweit des Naschmarkts, in der man auf rund fünfhundert Quadratmetern mehr als hundert verschiedene Ginkreationen sowie Wermut, Wein, Rum, Tequila, Vodka und noch so manches mehr hautnah erleben und verkosten kann. Und wer sich mit der Wissenschaft des Destillierens von Gin noch ein wenig näher vertraut machen will, kann das Handwerk bei persönlichen Workshops vor Ort in allen Details kennenlernen und auf Wunsch auch seinen eigenen Gin in der prächtigen, handgefertigten Hundert-Liter-Holstein-Destille direkt im Shop brennen lassen – individuelles Flaschen- und Etikettendesign selbstverständlich inklusive.

Fotocredits: Peter Affenzeller, Ingo Pertramer, Rick Spirit

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