Mark Kozissnik ist zwar Steirer, es war aber dennoch einem Zufall zu verdanken, dass er und seine Lebensgefährtin Adele Funder jetzt in St. Radegund bei Graz gelandet sind, um ein Fine-Dining-Restaurant der richtig intimen Art zu führen. „Wir haben auf Willhaben gesucht, da ist uns dieses behäbige alte Wirtshaus ins Auge gesprungen“, erzählt Mark. „Es ist mit Geschmack renoviert worden und der Pachtzins ist sehr in Ordnung.“
Kennen und lieben gelernt haben sich die beiden bei der gemeinsamen Arbeit im viel gerühmten Restaurant Zur Forelle am Weissensee in Kärnten. Betreiber Hannes Müller gilt Kennerinnen und Kennern längst als einer der absolut besten Köche des Landes, seine sensible und zurückgenommene Art, mit wenigen Komponenten wahre Meisterwerke des guten Geschmacks zu formen, ist nicht zufällig bis weit über die Grenzen bekannt. Mark hat hier seine Kochlehre begonnen und es in vier Jahren bis zur rechten Hand des Meisters geschafft, während Adele sich mit ihrer herzlichen, persönlichen Art um das Wohl der Gäste kümmerte.
Irgendwann beschlossen sie, das Abenteuer der hohen Gastronomie gemeinsam in Angriff nehmen zu wollen. „Es gefällt uns hier einfach sehr gut“, sagt Adele Funder über die neue Heimat unweit der steirischen Landeshauptstadt. Die Gegend ist tatsächlich von Herz anrührender Schönheit. St. Radegund ist ein traditionsreicher Luftkurort mit prächtigen Jahrhundertwendevillen, die Seilbahn auf den Grazer Hausberg Schöckl ist nur wenige hundert Meter entfernt. Doch die Aussicht ins Tal ist auch vom Ort selbst schon spektakulär, dementsprechend beliebt ist das Gebiet bei Wanderinnen und Wanderern sowie Radfahrerinnen und Radfahrern.
Wer einen sportlichen Ausflug zum Wochenausklang einmal mit richtig gutem Essen krönen möchte – oder sich ganz allgemein eine Belohnung verdient hat –, findet im neuen Restaurant Das Leaf des jungen Paares eine sehr empfehlenswerte Adresse.
Adele und Mark sind ganz auf sich allein gestellt und arbeiten einstweilen noch ohne externes Personal. Dementsprechend intim ist die Stimmung, wenn beide die Speisen gemeinsam in der weitläufigen Küche des früheren Wirtshauses anrichten – und auch gemeinsam auftragen. Der Gastraum ist sehr gemütlich, mit Blumen und Kerzen, aber auch mit den stabilen, altmodisch mit Resopal beplankten Wirtshaustischen.
Die Küchenlinie ist, wiewohl keineswegs vegetarisch, so doch sehr auf Gemüse fokussiert. „Ich habe einfach große Freude damit, die Möglichkeiten auszuloten, die in jedem einzelnen Gemüse verborgen sind“, sagt Mark. Fermentieren ist da natürlich ein großes Thema: Schon beim Eingang wird man von prächtigen Einmachgläsern voll konservierter Schätze aus dem vergangenen Sommer begrüßt.
Wie so eine konzentrierte Beschäftigung mit einem einzelnen Gemüse dann am Gaumen aufschlägt, lässt sich an einem Gang des aktuellen Menüs besonders schön darstellen. Knollensellerie, so schlicht steht er auf der Karte des sechsgängigen Menüs (Hinweis: Man kann auch nur drei Gänge wählen). Und tatsächlich ist es eine detaillierte Abhandlung der Knolle in diversen Aggregatszuständen: einerseits als dichtes, seidenweich buttriges Püree, anderseits als sous-vide gegarte Happen, die vor dem Anrichten in Butter braun gebraten werden, schlussendlich roh, hauchdünn geschnitten und fermentiert, damit die saure Komponente nicht zu kurz kommt. Fruchtig soll aber auch mit hinein, also legt Kozissnik noch zwei Spalten von der Birne dazu, außerdem gerösteten Buchweizen als knuspriges Element. Für die Frische gießt Adele bei Tisch noch frisch entsafteten Stangenzeller an. So akademisch schematisch das alles klingt – geschmacklich findet das auf so wunderbare Weise zusammen, dass man gar nicht genug bekommt davon.
Fisch von einem nahen Züchter und Biofleisch von einem befreundeten Bauern spielen aber mindestens so eine große Rolle. Etwa, wenn Mark Pulled Pork auf einer Art Liwanze aus reinem Sauerteig anrichtet, mit knackigem Rotkrautsalat, zart-süßer Mayo und Senfkaviar: toller Gang, der Sauerteig flaumig und zart knusprig, mit deutlicher Umami-Power, die sich in die sanft asiatische Aromenkombination einfügt.
Oder wenn er Saibling meisterhaft an der Haut brät, in echter Hannes-Müller-Manier, mit zart glasigem, fest gespanntem Fleisch und köstlich knuspriger, würziger Haut. Dazu gibt’s Kürbis in verschiedenen Konsistenzen, auch wieder sehr aufmerksam ausgeführt, wie schon beim Sellerie.
Wie würdest du deinen Küchenstil beschreiben?
Mark Kozissnik: Da kann ich mich nur meinem Lehrmeister Hannes Müller anschließen: wenige Komponenten am Teller, bloß kein Firlefanz und ein klares Bekenntnis zum Geschmack. Der kommt für mich immer vor Technik.
Und was erwartet die Gäste bei euch konkret?
Wir sind nur zu zweit, deshalb kann ich eines garantieren: wirklich intime Atmosphäre! (lacht) Es gibt ein sechsgängiges Menü, man kann aber genauso auch nur drei, vier oder fünf Gänge essen. Die Speisenfolge ändert sich alle paar Wochen, je nachdem, was gerade reif wird.
Wie kam es zum Namen „Das Leaf“?
Wir haben uns schon länger überlegt, dass „Liv“ ein schöner Name ist, falls wir einmal eine Tochter haben. Aber derzeit ist das Restaurant unser Baby. Und der Name soll auch unsere Philosophie widerspiegeln, dass wir einen klaren Fokus aufs Gemüse legen. Natürlich haben wir auch Fisch und Fleisch auf der Karte, und zwar gar nicht wenig. Aber unsere besondere Aufmerksamkeit gilt doch dem Gemüse – auch weil wir finden, dass das anderswo fast ein wenig stiefmütterlich behandelt wird.
das Leaf
Willersdorfer Straße 7
8061 Sankt Radegund bei Graz
Fotocredits: Gerhard Wasserbauer