Zu Gast bei
Zazatam
Severin Corti

In einer zuvor wenig beachteten Ecke des zweiten Bezirks hat mit dem Zazatam ein aufsehenerregendes Restaurant mit sehr bemerkenswertem Styling und ebensolcher Küche eröffnet. Gastronom Gabriel Alaev und sein junger Küchenchef Felix Müller zeigen, wie Fine Dining für die Jungen funktioniert.

B

is vor wenigen Jahren hatte die Gegend zwischen Mexikoplatz und Venediger Au noch einen eher zweifelhaften Ruf. Aber wie es so ist in einer dynamischen Stadt: Plötzlich ist alles, was rund um den Vorgartenmarkt passiert, total angesagt. Im Stuwer wird die neuere Wiener Küche mit Talent und Leidenschaft gepflegt, im Brösl gibt es zeitgemäße Küche mit viel Gemüse im Ambiente eines uralten Beisls, am Vorgartenmarkt sind Mochi Ramen Bar und Mochi am Markt mit ihrer Blockbuster-Asiaküche vom ersten Tag an ausgebucht, gleich nebenan macht das Il Mercato ganz außergewöhnlich gute Pizza – und im Cake Tree, einmal ums Eck in der Wolfgang-Schmälzl-Gasse, gibt es die für viele besten Kuchen, Scones und Torten der Stadt.

Das Zazatam an der Ecke Vorgartenstraße und Hillerstraße ist aber noch einmal eine eigene Geschichte. Das vornehme Palais war einst ein Offizierscasino der k.k. Armee – und damit ein Hinweis, dass die Gegend früher einmal recht vornehm war. Heute ist oben das Zola – Palais de Bohème eingezogen, ein cooles, junges Boutique-Hotel. Im Souterrain aber geht richtig die Post ab. Das Zazatam von Gabriel Alaev (Ramasuri, Pizza Randale, Weinschenke und andere) ist ein Restaurant samt angeschlossener Bar, wo Wien sich ganz anders zeigt, als man es gemeinhin gewohnt ist.


DER GENUSS DES MEERES: FRISCHER KABELJAU SERVIERT AUF KNACKIGEM PURPURREIS.

Durch ein schmiedeeisernes Tor gelangt man in einen Garten mit alten Bäumen, aber dann wird es erst einmal schwarz. Und zwar Schwarz in Schwarz, bis hin zur Treppe nach unten, die in ein schwarzes Loch führt. Unten wird man von lauter Musik und entzückend freundlichen, ebenso jungen wie hübsch anzusehenden Menschen empfangen, die einen weiterführen.

Hier unten ist der Boden mit schwarzem und weißem Marmor ausgelegt, die Wände der Bar (mit Kikkobar-Keeper Raphael Peyrot hinterm Tresen) sind mit golden schimmernden Paradiesvogeltapeten ausgeschlagen, die gut vier Meter hohen Wände des Speisesaals außerdem mit einem prachtvollen, in Paris gefertigten Vorhang mit überlebensgroßen, dunkelbunten Blüten ausgekleidet.

Coole Restaurants im Keller kennt man aus London, New York, Hongkong. In Wien, wo dem Souterrain immer noch ein Odeur von Waschküche anhaftet, bislang kaum. Aber auch sonst ist das Zazatam ein mutiges, mit Außensicht auf die Stadt konzipiertes Projekt, in dem das Essen mindestens so wichtig ist wie das Danach. 

Der Aufwand, mit dem die Küche des Zazatams aufgestellt wurde, hat schon eine ganz besondere Qualität. Chef Felix Müller ist gerade erst 27 Jahre alt und kommt via Villa Joya (zwei Sterne, Algarve) und Hospiz St. Christoph in die Leopoldstadt. Im Zazatam hat er freie Hand, aber den Auftrag, möglichst alles selber zu machen. Dass er seine Freizeit vorzugsweise damit verbringt, Weltgegenden mit spannender Küche unsicher zu machen, ist ein besonderer Pluspunkt für Gabriel Alaev: „Gerade war er einige Wochen in Zentralamerika unterwegs, und plötzlich spielen großartige mexikanische Aromen eine Rolle auf der Karte – ich kann gar nicht genug davon bekommen!“

Tatsächlich sind Kreationen wie das Spicy Mole Chicken mit Mais-Custard, fermentierter Ananas und Mojo Verde geeignet, einen geradewegs in den kulinarischen Traumurlaub zu versetzen: großartige Würzkombination, exotische und doch zugängliche Aromen, gekonntes Spiel mit Konsistenzen, Gaumenfreude pur.


DAS GEMÜTLICHE AMBIENTE BEI ZAZATAM LÄDT ZU ENTSPANNTEN AFTER-WORK DINNERABENDEN EIN.
„Auch die im Green Egg geräucherten Rüben mit Birne und einer irrsinnig guten Vinaigrette zeigen, wie wenig man tierische Zutaten braucht, um vor Geschmack und Daseinsfreude berstendes Essen zu machen.“

Weil Gabriel Alaev selbst Vegetarier ist, versteht er die stetig wachsende Zahl junger Gäste zu umgarnen, die sich ebenfalls für fleischlosen Genuss entschieden haben. Das Angebot veganer und vegetarischer Kreationen ist so gekonnt, dass auch unreformierte Genießer und Genießerinnen sich immer öfter für eine Veggie-Option entscheiden. Tamales zum Beispiel, in Kukuruzblättern gedämpfter Maisgrieß in mexikanischer Tradition mit Kürbis und einer fantastisch vielschichtig gewürzten Mole, ist veganes Essen von solcher Geschmackstiefe, dass man gar nicht auf die Idee kommt, auf irgendwas verzichten zu müssen.

Auch die im Green Egg geräucherten Rüben mit Birne und einer irrsinnig guten Vinaigrette zeigen, wie wenig man tierische Zutaten braucht, um vor Geschmack und Daseinsfreude berstendes Essen zu machen. Aber Verzicht ist ohnehin kein Thema im Zazatam, im Gegenteil: Für Freunde und Freundinnen fleischlicher Genüsse wird mit Hingabe gesorgt. Bao Buns, die flauschig luftigen Germteigkissen chinesischer Tradition, werden etwa mit gehacktem Tartare vom luxuriös nachhaltigen XO Beef serviert. Kalbskotelett vom Grill bekommt cremige Polenta mit wildem Knoblauch und Fenchel als Unterlage – will man ebenfalls haben.

Pasta wird ausnahmslos selbst gemacht, die luxuriös gefüllten Ravioli (mit eingesalzenem Dotter!) und seidig bissfesten Bucatini Cacio e Pepe mit schwarzem Trüffel und tasmanischem Bergpfeffer über der klassischen Käsecreme gehören aber besonders hervorgehoben. Spezielle Aufmerksamkeit verdienen auch die Fischgerichte. Seeteufel aus dem Tandoor-Feuerofen mit Curryblatt-Cashew-Pesto und Kokos-Dal zum Beispiel ist kreativ indisches Fine Dining, wie man es in Wien nirgendwo sonst bekommt. Und die am Feuer auf den Punkt gegrillte Jakobsmuschel mit Grill-Limonen-Vinaigrette und Chulpe – einer aus Peru inspirierten Form von gepopptem Mais – zeigt, wie sensibel Müller der aufregenden Würzung zum Trotz mit edlen Zutaten umzugehen weiß.

Im Sommer lockt ein prächtiger Garten unter alten Bäumen mit einer stimmungsvoll beleuchteten Pergola, unter der die Barkeeper ihr Werk vollbringen – wo aber auch aus der Dinner-Karte serviert wird. Irgendwann wechselt man aber wieder hinunter, wo die Musik gut und laut, die Stimmung gelöst und die Freude über ein so international kompetitives Lokalkonzept bis in die Morgenstunden lebendig ist.


KÜCHENCHEF FELIX MÜLLER INSZENIERT EIN GEKONNTES SPIEL MIT KONSISTENZEN UND WÜRZKOMBINATIONEN SOWIE MIT EXOTISCHEN UND DOCH ZUGÄNGLICHEN AROMEN.
KURZ BÜNDIG

Es zeugt von Mut, in dieser Gegend so ein qualitätsvoll positioniertes Konzept aufzuziehen.

Ich liebe den zweiten Bezirk, mag die Stimmung hier wirklich besonders gerne. Es stimmt, dass die Gegend um den Mexikoplatz vor Jahren einen nicht so guten Ruf hatte. Aber das ändert sich zum Glück. Inzwischen sind hier so viele gute Lokale, junge Familien und coole Leute hergezogen. Für mich ist das eine der Gegenden, die definitiv im Kommen ist. Und ich freue mich, wenn wir mit dem Zazatam einen Beitrag leisten können.

Die Küche ist sehr international ausgerichtet.

Ja, ich reise eben auch am Teller gern in die Welt hinaus – und ich denke, dass Wien auch solche Konzepte braucht. Zum Glück geben die Gäste uns recht. Aber bei der Auswahl der Zutaten achten wir sehr auf gute, lokale Produzenten und Produzentinnen. Gemüse von unseren Gärtnern und Gärtnerinnen, Fleisch von kleinen Lieferanten und Liferantinnen. Bei Fisch und Meeresfrüchten geht das – leider – nicht mehr (lacht). Ich liebe die Wiener Küchentradition. Aber in einer Weltstadt wie der unseren will ich auch ein international orientiertes Angebot bieten können.

Worauf freuen Sie sich diesen Sommer?

Auf die Feste in unserem Garten! Die, die unsere Gäste feiern, aber auch jene, die wir organisieren wollen. Mit unseren Winzern und Winzerinnen, mit unseren Gästen und, ganz wichtig, mit unseren Nachbarn und Nachbarinnen wollen wir endlich wieder gemütlich zusammenkommen und auf das Leben nach dieser schwierigen Zeit anstoßen. Wir hatten so eine Veranstaltung vor der Pandemie – heuer ist es hoch an der Zeit, das endlich wieder zu organisieren!

Zazatam
Hillerstraße 2
1020 Wien

Fotocredits: Colin Cyruz

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